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Oft bedeuten Regeln eine Einschränkung. Im folgenden Blogbeitrag zeige ich, dass es durchaus auch lustvoll und horizonterweiternd sein kann, sich neue Verhaltensmuster anzueignen – sowohl im Privat- als auch im Berufsalltag.
Wir trainieren seit Jahren Improvisationstheater. Da werden uns immer Regeln eingeimpft wie solche von Cathy Salit „Leistungsdurchbruch: Ein radikaler Ansatz für den Erfolg am Arbeitsplatz“ (gibt es nur in Englisch).
1. Yes, and… (Ja, genau und…)
2. Make the other person look good (Lass die Anderen gut aussehen)
3. Celebrate mistakes and failures (Fehler sollen gefeiert werden)
4. Follow the follower (Folge dem Fan)
5. Delight in curveballs (Genisse die Wendungen)
6. Go into the cave (Wage das Unbekannte)

Ist Improvisation nicht genau das Gegenteil als Regeln zu befolgen?

Im Improvisationstheater hilft es, wenn man sich als Anfänger auf Regeln verlassen kann, welche dazu dienen, dass Szenen funktionieren und die Zuschauer gut unterhalten werden. Jeder kennt diese Regeln und so kann man sich getrost auf das Gegenüber verlassen und ist somit in der Lern- und nicht in der Panikzone.

Zuerst ein kleines Rechenbeispiel: Ein Kind hört täglich bis zu 30-mal „NEIN“ (ein Redakteur der Süddeutschen Zeitung hat mal einen Tag lang nachgezählt). Wenn wir dies bis zu seinem 13. Lebensjahr hochrechnen, sind das über 100’000-mal NEIN (Die ersten drei Lebensjahre nicht mit eingerechnet und in der Pubertät wird es wohl kaum weniger sein.). Wie soll man sich da ohne Regeln auf einmal auf ein „Ja, genau und“ einlassen? Wann haben Sie das letzte Mal ohne ABER einfach nur „JA“ gesagt? Falls Sie verheiratet sind, vermutlich vor dem Traualtar und ob das im Nachhinein richtig war, überlasse ich Ihnen. ?

Beim Improvisationstheater werden Regeln mit der Zeit verinnerlicht und man denkt nicht mehr darüber nach. Oder sie werden, um wieder in die Lernzone geworfen zu werden, von waghalsigen Spielern absichtlich gebrochen. Es ist aber leider nicht wie mit dem Fahrradfahren, nach einer längeren Pause muss man sich die Regeln wieder bewusst machen.

Regeln sind also als Stütze gedacht, um Improvisation zuzulassen.

Spielen ohne Regeln?

Kennen Sie ein Brett- oder Kartenspiel ohne Regeln?

Kinder spielen teilweise ohne Regeln, bis dann die neue Regel „der Stärkere gewinnt“ irgendwann unverhofft dazu kommt. Sei es beim Fussball spielen, beim 80m Lauf oder mit dem kleinen Bruder, wenn es darum geht, was im Fernseher läuft.

Erwachsene hingegen können ohne Regeln nicht spielen. Wir wollen wissen, was wieviele Punkte gibt, was nicht erlaubt ist, was ein Fehler ist und wer zum Schluss gewinnt.

The winner takes it all

Wir leben zu oft nach dem Motto das ABBA schon 1980 besungen hat: Der Gewinner bekommt alles, der Verlierer sieht klein aus. Auch im Berufsalltag kommt es zu oft zu einem „Gegeneinander“ anstatt zu einem „Miteinander“.

Wenn man sich jedoch mal einen Tag versucht an die Regel 1 zu halten und alles, was nicht klar geschäftsschädigend ist, mit einem „JA, genau“ und statt mit einem „NEIN“ oder „JA, aber“ zu unterstützen (klingt einfacher als es ist), sind die anderen Regeln (2-5) beinahe überflüssig, denn diese folgen automatisch. Mit einem unterstützenden JA, wird das Gegenüber automatisch wertgeschätzt. Man bewegt sich nun in zuvor unbekannten Gebieten, denn ein Nein hat dies wohl zuvor verhindert. Es wird unerwartete Wendungen geben und wenn das JA ehrlich gemeint ist, hat die Person in Ihnen schon den ersten Fan oder Follower.

Einzig die Fehlerkultur kommt unter Umständen noch zu kurz. Wenn man aber Fehler zusammen reflektiert, sollten alle etwas davon gelernt haben und aus einem möglichen Scheitern wird ein Gescheiter aller Beteiligten. Die Aussage, Sie hätten das ja vorher schon gewusst, zählt nicht, denn wie will man etwas wissen, wenn man etwas Neues wagt? Und nur weil es gestern nicht geklappt hat, heisst das nicht, dass es morgen auch nicht geht. Den sonst hätte Edison wohl die Glühbirne nie erfunden oder es ist der einzige Grund für ein NEIN: Geschäftschädigend.

Fazit

Nehmen wir uns vor, öfter mal JA, und zu sagen und etwas Neues zu wagen und leben eine offene Fehlerkultur, dann braucht es diese zwei Verhaltensänderungen (gefällt mir besser als der Begriff „Regeln“) und unser Leben wird innovativer, spannender, motivierter und bestimmt auch lehrreicher.

Die Basis für ein solches Vorgehen muss aber gegeben sein, und das ist gegenseitiges Vertrauen.

Ist das Ganze etwas zu einfach gedacht? Ja, aber Komplexitätsreduktion hilft im heutigen Umfeld und es ist ein grosser Schritt, so den Tag anzugehen. Versuchen Sie es doch mal (z.B. für ein Meeting und nicht gleich einen ganzen Tag) und erzählen Sie uns und anderen davon!